Am Wendepunkt? Innenperspektiven der Sozialwirtschaft
Nachdem es in den 1990er Jahren intensive Debatten um die Zukunft des Sozialstaats gab, sind diese in den letzten Jahren deutlich abgeklungen. Ist also bereits alles gesagt? Die zahlreichen gegenwärtigen sozialpolitischen Herausforderungen, nicht zuletzt die aktuellen Flüchtlingsströme, zeichnen ein anderes Bild. Es ist also Zeit, erneut einen Blick auf die Rahmenbedingungen sozialer Organisationen zu werfen und ihren möglichen Konsequenzen nachzugehen.
Daher veranstaltete das Institut für Zukunftsfragen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft der EHD
gemeinsam mit den Evangelischen Kirchen von Kurhessen-Waldeck sowie Hessen und Nassau, der Diakonie Hessen und Fundraising Akademie Frankfurt am 02.12.2015 die Fachtagung Social Talk an der Evangelischen Hochschule. Erstmalig dabei waren auch die Diakonischen Werke Württemberg, Bayern und Baden. Unterstützt wurde die Tagung insbesondere von der Evangelischen Bank, dem Versicherer im Raum der Kirchen, der Curacon Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und der Bank für
Sozialwirtschaft.
Das Feld spannte Professor Dr. Schmid von der Universität Tübingen in der Keynote mit Szenarien für die Zukunft des Sozialen Sektors auf. Dabei wurde deutlich, dass es keine Automatismen gibt, die den Weg unseres Sozialstaats determinieren, sondern dass es um aktiv herbeizuführende politische Entscheidungen geht. Ausgehend von dem bisher beschrittenen Pfad zeigten sich drei denkbare Entwicklungsrichtungen.
Neben einer zunehmenden Privatisierung der Sozialen Sicherung und einem voranschreitenden Abbau des Sozialstaates, stünde beispielsweise auch die Idee eines Sozialversicherungsstaates beruhend auf eine Normalitätsfiktion bestehend aus Standardarbeitsverhältnissen und Normalfamilie, die alle anderen Sonderfälle zum Gegenstand der Sozialhilfe mache. Auch denkbar wäre jedoch ein sehr weit gespanntes sozialpolitisches Verständnis, das den Staat als Risikomanager sieht, der in einer Mischung aus Infrastrukturpolitik und aktivierenden Sozialleistungen zugleich Kostenkontrolle betreibt ohne dabei neue Risiken aus dem Blick zu verlieren.
In zehn Vorträgen und Workshops wurde dann um aktuelle Problemstellungen und Lösungsansätze für Personal-, Finanz-, Innovations- und Organisationsmanagement gerungen. Im Rahmen des anschließenden Kamingesprächs diskutierten Spitzenvertreter aus Diakonie (Wilfried Knapp, Vorstand Diakonie Hessen), Kirche (Thomas Striegler, Oberkirchenrat der EKHN) und Wissenschaft (Prof. Dr. Josef Schmid) mit dem hessischen Sozialminister Stefan Grüttner über die Zukunft von Sozialstaat und Sozialpolitik. Ebenso wie in vielen anderen aktuellen Debatten überschatteten dabei die aktuellen Herausforderungen bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme die grundlegenderen Fragen unseres Sozialsystems. Organisator Michael Vilain: „Es zeigte sich, dass das vielgelobte Engagement der Bürger bei der Aufnahme von Flüchtlingen auch Grenzen bisheriger wohlfahrtsstaatlicher Produktion aufzeigen. Das Handeln in Netzwerken – auch jenseits der erprobten korporativistischen Strukturen wird damit immer wichtiger. Es treten eine Fülle neuer (sozial-)politischer Akteure auf, die im bisherigen System nicht eingebunden sind.“ Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund planen die Veranstalter des Social Talk die diesjährige Fachtagung zum Thema „Management von Netzwerken“. Die diesjährige Veranstaltung soll auch jungen Nachwuchswissenschaftlern ein Forum bieten, Ihre Ergebnisse dem Publikum vorzustellen. Der Fachtag wird voraussichtlich am 30.11.2016 an der Evangelischen Hochschule Darmstadt stattfinden. Die Veranstalter würden sich freuen, wieder viele Studierende und Lehrende der EHD als Gäste begrüßen zu dürfen.
Für das IZGS hat der Bremer Karikaturist Roland Bühs seine Sicht auf die Sozialwirtschaft in Tusche festgehalten.